KI hier, KI da. Alle reden nur noch davon. Wir auch. Bei unserem Fotothema, bei Bildermächtig. Aber nicht beim Gendern.
Als Journalistinnen gehören wir zu den Menschen, die das Spiel mit Sprache lieben. Keine Künstliche Intelligenz (KI) der Welt kann es uns abnehmen, geschlechtergerechte Formulierungen geschickt in Texte einzubauen. Es wäre auch zu einfach, automatisiert mit KI das eine oder andere generische Maskulinum durch einen Genderstern zu ersetzen. Gendern im Journalismus geht anders.
Übermedien wollte es genau wissen und hat 62 Verantwortliche einzelner Programme, Sendungen, Ressorts und Medienhäuser gefragt: „Wer gendert überhaupt – und wie?“ Etwa die Hälfte antworteten auf die Umfrage. Heraus kam, dass 73 Prozent der befragten Redaktionen auf „unbemerkbar gendersensible Formulierungen“ setzen. Auch das ist Gendern, merkt die Autorin Anne Haeming an, nur regt es niemand auf.
Was ist mit Genderzeichen wie dem Genderstern oder dem Gendern mit der minikurzen Sprechpause? 41 Prozent lassen diese Art des Genderns in ihrem Medium zu. Bei einem Viertel der Redaktionen ist dies allerdings nur bei Gastbeiträgen, Kommentaren oder in Formaten für bestimmte Zielgruppen „erlaubt“. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Beobachtungen von Genderleicht auf der Seite Wie Medien gendern, die wir in diesem Sommer für den großen Relaunch überarbeitet haben, angereichert mit praktischen Tipps. Damit Sie auch das wissen: Die detailreiche Umfrage von Übermedien, veröffentlicht am 13.10., liegt hinter eine Bezahlschranke, gute Arbeit braucht Entlohnung. Übermedien ist ein Onlinemagazin für Medienkritik, finanziert von seinem Publikum, also mithilfe seiner Abonnements.
„Das hörbare Gendern mit der Minipause klingt wie Stottern.“ Was für eine falsche und fiese Unterstellung sagen die, die es wissen müssen: Die Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe (BVSS) hat sich an Genderleicht gewandt, weil sie diese Gleichsetzung als abschätzig empfinden. Stottern sei kein Argument gegen Gendern. Weder klingt es so, noch provoziere das Mitsprechen des Genderzeichens, also die Minipause, Stotter-Symptome, erläutert Dr. Patricia Sandrieser, leitende Logopädin am Katholischen Klinikum Koblenz-Montabaur und Mitglied des Wissenschaftlichen Fachbeirats der BVSS: „Für Stotternde sind auch Wörter, die eine Silbenreduplikation erfordern, zum Beispiel Kakadu, kein Trigger für Stotter-Ereignisse und die phonetische Kunstpause wird in der Spontansprache ganz selbstverständlich genutzt: als Betonungsmerkmal zwischen Wörtern oder um Parameter der Textgrammatik zu realisieren.“ Anlässlich des Welttags des Stotterns am 22. Oktober sei daran erinnert, dass Stottern als neurologische Störung anerkannt ist. Wenn dagegen mal jemand beim Reden ins Holpern gerät, „ähm, ähm“ und so, und nach Worten sucht, sollte dies nicht als stotternd, sondern richtigerweise als stockend oder stolpernd bezeichnet werden.
Einen Appell an die Toleranz formuliert Henning Lobin, Direktor des Leibniz Instituts für deutsche Sprache Mannheim an einem überraschenden Ort: Die beliebte ZDF-Sendung Terra X unterhält eine Wissens-Kolumne. Hier werden aktuelle wissenschaftliche Fragestellungen ausdiskutiert, umfangreicher als es die Fernsehsendung leisten kann. Nun also auch zum Gendern, unsere Empfehlung.
Nun zur KI bei Bildern, ein großes Thema in der Fotografie. Kaum haben wir alle Zugang zu diesen technischen Möglichkeiten, zeigt sich Sexismus in der künstlichen Bildproduktion. Beispiel: Bei der Frage nach der Darstellung von Berufen erscheinen oft nur KI-Bilder von Männern. Unsere Gastautorin Sarah Tekath berichtet über eine gewitzte Alternative aus den Niederlanden. Kommende Woche geht es weiter: In unserem Blog werden wir einen Bericht über ungewünschte Männerfantasien bei der Bestellung „magischer Avatare“ in KI-Bilder-Apps haben. Den Veröffentlichungstermin erfahren Sie über @bildermaechtig.de auf Instagram
KI im Fotojournalismus machen wir unter anderem zum Thema unserer Fachkonferenz: Mächtig daneben? Oder BILDERMÄCHTIG am 30. November in Frankfurt am Main: Der Journalistinnenbund e. V. wird sein neues Projekt Bildermächtig vorstellen. Mit Expert*innen diskutieren wir auf Podien und in Workshops, wie die journalistische Bilddarstellung ohne Genderstereotype und Klischees – mit Frauen in all ihrer Vielfalt und auf Augenhöhe – gelingt. Kommen Sie doch auch. Sie können sich jetzt schon anmelden.
Folgen Sie uns gerne auf Instagram @bildermaechtig.de Christine Olderdissen
Projektleiterin Genderleicht & Bildermächtig
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