Große Aufregung in deutschen Medien am vergangenen Freitag: Kommt die Entscheidung über den Genderstern? Der Rat für deutsche Rechtschreibung tagte im belgischen Eupen, für 14 Uhr war eine Verlautbarung angekündigt. Heraus kam die klitzekleine Entscheidung, Genderzeichen in den Katalog der Sonderzeichen aufzunehmen, im gleichen Rang wie die typographischen Zeichen für Prozent oder Paragraf. Der Rechtschreibrat erklärt zu Genderstern = Asterix, Genderdoppelpunkt und -Unterstrich:
„Diese Wortbinnenzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie.“
Immerhin sieht der Rechtschreibrat die tiefere Bedeutung der Genderzeichen:
„Sie sollen eine über die formalsprachliche Funktion hinausgehende metasprachliche Bedeutung zur Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten – männlich, weiblich, divers – vermitteln: die Schüler:innen, die Kolleg*innen. Sie gehen damit über Verkürzungsformen wie Bürger/-innen, die vom Amtlichen Regelwerk bereits erfasst werden, hinaus.“
Linguistikprofessor Henning Lobin beschreibt die Aufnahme als Sonderzeichen im Interview mit dem Spiegel als „echten Fortschritt“ und erklärt auch warum. Mehr war offensichtlich nicht drin, bei der jetzigen Besetzung des Rechtschreibrates. Der Vorsitzende des Rechtsschreibrats, Dr. Josef Lange, wies im Interview mit Tagesschau.de darauf hin, dass Ende des Jahres die derzeitige Amtszeit ende. Wenn der Rat in drei (!) Jahren erneut zum Gendern berate, ist eine jüngere Zusammensetzung der 41 Experten und Expertinnen aus Wissenschaft, Verlagen und Medien zu erwarten.
Eine interessante Info hat Dr. Lange noch auf Nachfrage des Moderators gegeben: Die Sichtbarmachung von Frauen hängt natürlich nicht am Genderstern. Ausdrückliche Benennung etwa in der Doppelform (Schülerinnen und Schüler) sind in den Gleichstellungsgesetzen der Bundesländer und im Schweizer Sprachengesetz verankert.
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Wer noch immer verwundert ist, warum sich „rechte Parteien so auf das Gendersternchen einschießen“: Ein aktuelles Interview mit Anatol Stefanowitsch im Schweizer Magazin Republik liefert viele kluge Einsichten. Auch in der Schweiz sind es Rechtskonservative, die das Gendern verbieten wollen. Die These des Berliner Linguistikprofessors: Eigentlich gehe es um das Unbehagen gegenüber „bestimmten geschlechtlichen Identitäten oder sexuellen Orientierungen“. Die parteipolitisch organisierten Gendergegner hätten mitbekommen, „dass es sich nicht gehöre, sich darüber zu beschweren. Also reden sie über Sprache, unterschwellig signalisieren sie jedoch, dass sie Gleichberechtigung und Vielfalt stört“.
Das erklärt vermutlich auch, was gerade am südlichsten Zipfel Sachsens passiert. Die AfD wollte das städtische Theater Plauen-Zwickau zwingen, dass bei „sämtlichen Werbemaßnahmen in Wort und Ton ausschließlich die deutsche Schriftsprache gemäß Duden zur Anwendung kommt“: Das Wort „Darsteller:innen“ sollte aus den Programmheften verschwinden. Aus dem Antrag beim Zwickauer Stadtrat, der nur auf das Theater zielte, wurde Ende Juni ein Genderverbot für die gesamte Stadtverwaltung und die Eigenbetriebe der viertgrößten Stadt Sachsens. Der Generalintendant des Theaters Dirk Löschner und Geschäftsführerin Sandra Kaiser wollen das nicht für ihr Haus gelten lassen. Die Theaterleitung wünscht sich laut Stellungnahme weiterhin offene Debatten über das Sprachgefühl der einen und das Gerechtigkeitsempfinden der anderen. Für das Theater in Zwickau berufen sie sich auf die grundrechtlich garantierte Kunstfreiheit.
Wie singt Danger Dan so schön: „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“.
Kommen sie gut über die heißen Tage Christine Olderdissen
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