Wenn Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident Reden hält, gendert er ohne anzuecken – vorbildlich elegant und ohne hörbare Sternchen = Glottisschlag. Dennoch geht er bis an die „Grenzen des Sagbaren“. Das Team, das seine Reden schreibt, macht einen richtig guten Job und nutzt alle Möglichkeiten der deutschen Sprache. So geschehen auch am 17. April, als der Bundespräsident der früheren Bundeskanzlerin das Bundesverdienstkreuz der Stufe 7 verlieh. Das „Großkreuz des Verdienstordens“ hatten vor Angela Merkel nur die Altbundeskanzler Adenauer und Kohl erhalten. Steinmeier wnadte sich an Frau Merkel, sie habe „mit Ihrer Kanzlerinnenschaft“ dafür gesorgt, dass weibliche Macht an der Spitze eines Landes für immer eine Selbstverständlichkeit in Deutschland sein werde. Das Wort „Kanzlerinnenschaft“ klingelte in den Ohren – nie zuvor gehört! Es ist grammatikalisch richtig, denn wenn es ausschließlich um Frauen geht, sind Wörter wie Königinnentum oder Journalistinnenbund angebracht. Also auch Kanzlerinnenschaft.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass die UNESCO bereits 1987 die Forderung nach sprachlicher Sichtbarkeit von Frauen erhob. Hmm, mal rechnen, dass ist jetzt 36 Jahre her. Aber erst mit dem Genderstern kam Bewegung in unsere Sprachgewohnheiten. Die auf der 24. Generalkonferenz der Vereinten Nationen verabschiedete Resolution 24 C/14 § 2 (1) forderte die Verwendung femininer Personenbezeichnungen. Eine sprachliche Gleichbehandlung in allen Arbeitsdokumenten der Organisation war das Ziel. Nur, wie genau sollte das geschehen? Die deutsche UNESCO-Kommission veröffentlichte 1999 „Richtlinien für einen nicht-sexistischen Sprachgebrauch“, damals noch als „Eine Sprache für beide Geschlechter“ bezeichnet. Die Linguistinnen Prof. Dr. Marlis Hellinger und Dr. Christine Bierbach erarbeiteten dafür systematische Erklärungen, Anleitungen und Beispiele für das Deutsche, die sie schon 1989 aufgestellt hatten. Sie können noch heute als Vorlage dienen.
Das Vorwort berichtet übrigens über Versuche, männliche und weibliche Personenbeschreibungen durch die Schreibweise mit dem Binnen-I wie in BürgerInnen zu etablieren. Populär geworden durch das Auftauchen in der taz, übernahm es die Berliner Verwaltung für ihren Dienstverkehr, wie Zeitzeugin Ute Scheub bei Genderleicht.de berichtet. „Nein, Nein, Nein!“ Der Protest für alle juristisch relevanten Texte war in der Kontroverse um den Wortzusatz unüberhörbar. Eine Richtlinie der Hessischen Landesregierung verbot 1992 sogar das Binnen-I.
Mittlerweile gibt es eine wahre Flut von Genderleitfäden, Schreibanleitungen, Handlungsanweisungen und so weiter. Welche ist die beste? Schwer zu entscheiden. Gut ist, auf das Datum der Veröffentlichung zu schauen, wie auch auf die Verständlichkeit der Erklärungen. Gibt es praktische Schreibbeispiele, die zur eigenen Thematik passen? Wie sehr werden Genderzeichen empfohlen? Passt das zur Hauspolitik des Unternehmens oder der Organisation, für die Sie arbeiten?
In Radio und Fernsehen hören wir alles nebeneinander: die einen gendern, die anderen machen es dezenter. Jedenfalls benennen sie alle mehr als früher die Frauen. In den Printmedien des Mainstream lesen wir deutlich mehr Beidnennungen, bzw die Paarform: Bürgerinnen und Bürger. Da schließt sich der Kreis zu 1987.
Sonnige Maigrüße! Christine Olderdissen
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