Kennen Sie schon epizöne Substantive? Garantiert, Sie wissen es nur nicht. Linguistische Laien haben keine Ahnung, dass das Wort Laie
epizön ist. Mit dem ähnlich lautenden obszön hat das nichts zu tun. Die Bezeichnungen epizön oder Epikoina stehen in der Linguistik für geschlechtsneutral verwendete Wörter. Sie haben keine gegengeschlechtlichte Variante, es gibt sie nicht in der Paarform: Der Laie, das Opfer, die Waise, ebenso der Mensch und die Person. Laienhaft sagen wir dazu: „Diese Wörter müssen wir nicht gendern“. Sie sind fürs geschlechtsneutrale Schreiben sehr praktisch. Substantivierte Substantive wie Studierende im Plural zählen dazu und werden, wie beispielsweise Teilnehmende, in die Alltagssprache neu aufgenommen. Die Linguistin Prof. Carolin Müller-Spitzer hat die Fachwörter in einem hochinteressanten Interview für die SWR-Wissenschaftssendung „Science Talk: Soviel Gendern verträgt die Sprache“ erklärt: 30 Minuten dichtgepackte Erkenntnisse zur Auffrischung linguistischen Wissens zum Gendern. Alternativ in Schriftform, das Interview mit Carolin Müller-Spitzer für das Dossier Literatur & Gender im Literaturmagazin, auf der Website von Jeanne Wellnitz. Auch hier geht es um epizöne Substantive.
In diesen Tagen (14. - 16.3.2023) findet die Jahrestagung des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache Mannheim statt, zuvor war die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprache (DfGS, 7. - 10.3.2023) in Köln zu Ende gegangen. Fragen zur geschlechtergerechten Sprache sind nicht länger Nischenthema. Die veröffentlichten Abstracts der DfGS zeigen eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Feinheiten des Genderns, beispielsweise: Wie geschlechtergerecht sind Weihnachts- und Neujahrsansprachen geschrieben? Immer besser, so das Ergebnis: Die Neujahrsansprache von Olaf Scholz 2022 enthielt kein einziges generisches Maskulinum.
Zurück zum praktischen Teil: „Wie mache ich es denn nun?“ Druckfrisch aus dem Dudenverlag ist ein neuer Ratgeber: „Einfach können. Gendern“ von Johanna Usinger. Es ist die perfekte Ergänzung zu "Genderleicht. Wie Sprache für alle elegant gelingt", beides jetzt im Doppelpack zu erwerben. Die Erfinderin des Online-Genderwörterbuchs geschicktgendern.de gibt auf gut fünfzig Seiten eine gelungene Anleitung für das geschlechtergerechte Schreiben. Geprüft und für gut befunden → die Rezension auf Genderleicht.de.
Ein Schmankerl zum Schluß: Ministerpräsident Markus Söder teilt bekanntlich mit Wonne gegen das Gendern aus. Die humoristische Website Volksverpetzer
aber meint herausgefunden zu haben, dass Söder die Freiheit zu gendern verteidigt: „In Bayern dürfen die Menschen sagen, was sie wollen“, twitterte er am 21.2.2023. Hmm, das Wort im Mund umgedreht, liebe Volksverpetzer? Aber lustig ist es schon.
Mit sonnigen Grüßen den Frühling erwartend Christine Olderdissen
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